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Kapstadt vom Signal Hill | Südafrika - Foto von Gossipguy - CC BY-SA 3.0 - Details im Impressum

sa flag 80x80Es muss jemand hier gewesen sein über Nacht. Jemand mit riesigen Eimern voller Farbe und meterbreiten Malpinseln. Dieser Jemand hat Südafrika vom Kap der Guten Hoffnung bis zur Kleinen Karoo bemalt, hat die graubraune Tristesse dieser Halbwüste in einen Garten Eden verwandelt. Noch gestern wirkte die Landschaft zwischen Cape Town und Oudtshoorn abweisend, harsch und unwirtlich. Mit ein paar Köcherbäumen zwischen den Felsen am Horizont, staubigen Akaziensträuchern, Kopok- und Quassiebüschen. Heißer Wind war von den steilen Wänden der Outeniqua- und Langebaan Mountains ins Tal geströmt, hatte papiertrockene Kamillenbüsche wie tanzende Derwische über die Hügel getrieben und sich mit der heranströmenden Luftfeuchtigkeit vom Kap zu einer undurchdringlichen Atmosphäre vermischt – schwer und grau wie Gestein.

wein-landschaftAls endlich die ersten herbstlichen Regentropfen fielen, folgte ihnen der Jemand mit den Farbtöpfen. Plötzlich ist die Wolkendecke vor der Kulisse des Tafelbergs wegradiert und Kapstadt frisch geweißelt. Die Victoria & Albert Waterfront in den Anlagen des Kapstädter Hafens scheint auf Hochglanz poliert, die umgebauten Docks und Lagerhäuser strahlen im Sonnenlicht.

Die Kleine Karoo – jenseits der Simonsberge – ist mit einer zartgrünen Samtdecke überzogen,  mit Millionen Tupfen blauer, roter, gelber und lilafarbener Blümchen als Design. Und mit kleinen Lichtsprenkeln hie und da, weißen kapholländischen Farmhäusern, die sich in die Schatten von Trauerweiden und Platanen ducken. Und so weit man blickt, schwarzweiße und braune Federbüschel: Wir sind im Reich von Struthio camelus angelangt. Und in Oudtshoorn, dem Weltzentrum der Straußenzucht.

Einst mit seinen Federn der Lieferant modischen Froufrous, ist Vogel Strauß, das schnellste Tier auf zwei Beinen, noch immer begehrt: Als Erzeuger begehrten Leders – und in den Kochtöpfen ernährungsbewusster Gourmets. Kaum ein respektables Restaurant in Südafrika, in dem das kalorien-, cholestrin- und fettarme Fleisch nicht verarbeitet wird. Heute, denn noch vor 20 Jahren galt Straußenfleisch in Südafrika als ungenießbar, gerade gut, es zu Hundefutter zu verarbeiten. Erst seine rasche Verbreitung in Europa ließ die einheimischen Küchenchefs anderen Sinnes werden.

So servierte man Strauß fortan in allen Variationen, die Kräuter übrigens liefert die Kleine Karoo gleich dazu. Diese Welt, die sich keineswegs damit zufrieden gibt, die menschlichen Sinne nur andeutungsweise anzusprechen. So spülte der erste Regen nicht nur den Staub von der Natur, er öffnete auch alle Duftknospen, so dass nun, nachdem der mit den Farbtöpfen weiter gezogen ist, atemberaubende Aromen durch das Panorama der Klein Karoo ziehen – von wucherndem Rosmarin und Lavendel, von Fenchel, Anis, wildem Senf und Majoran, Basilikum und Frangipani, Jasmin und IlangIlang.

atlantikkuesteDazu herrscht dieses Wetter, das man am Western Cape „Champagnerwetter“ nennt. Kristallklare Frische, die wie Millionen Bläschen auf der Haut prickelt und zum Über-die-Stränge-schlagen verführt. Natürlich lautet die Antwort darauf Champagner und natürlich wächst „Südafrikas Einziger“ nicht weit entfernt.

Pierre Jourdan ist der Name des Labels. Nach jenem Hugenotten, der vor gut 300 Jahren das Weingutes La Cabrières in Franschhoek (französische Ecke) baute. Hoch über den Weinfeldern, am Franschhoek Pass gelegen. Die heutige Hausherrschaft ist von Adel, derer von Arnim, mit gut-deutschen Wurzeln. Achim von Arnims Vorfahre dichtete mit Brentano „Des Knaben Wunderhorn“, während Bettina von Arnim, die Dame des Hauses dem bukolischen Zauber Goethes verfiel. Der heutige von Arnim versteht sich mehr auf´s Önologische, hat es geschafft, vier hoch dekorierte Champagner in Flaschengärung zu kreieren. Wenngleich seine Methode Nachahmer fand, so ist Cabrière Estate doch das einzige Weingut ganz Südafrikas, wo die Flaschen mit einem Säbelhieb geöffnet werden. Warum? Nun, man kann es sich leisten, exzentrisch zu sein, der Pierre Jourdan konkurriert fraglos mit allen echten französischen Champagnern.

Der Tag verflüchtigt sich in Abenddämmerung, der Jemand mit den Farbtöpfen hat den Himmel über den Granitfelsen der Franschhoek Mountains in ein Kaleidoskop dunkler Rot- und Violett-Töne umgestaltet, und die Asphaltdecke der R62 glänzt wie neu lackiert. Streckenweise wird die schmale Straße zur Allee von blühenden Jacarandas. Dann säumen dunkelrote Callas das Bankett, nicht vereinzelt, nein, in dichten, hohen Büschen. Rosenstöcke vollenden das Bild. Da sie Schädlingsbefall als erste anzeigen, stehen sie zum Schutz der Weingewächse am Anfang und am Ende einer jeden Rebenreihe. Doch was soll dieser Pragmatismus? Die Jacarandas, Callas und Rosen sind einfach nur schön, die Berge majestätisch, und die kleinen Karoo-Städtchen entlang der Route 62 scheinen am Band der Straße wie zu einer Perlenkette aufgereiht.

weinlandSie heißen Paarl, Worcester, Montagu, Robertson, Swellendam, Ladysmith, Oudtshoorn, De Rust, Calitzdorp oder Barrydale. Gegründet wurden sie ausnahmslos um das Jahr 1700, und zwar von englischen, holländischen und norddeutschen Siedlern. Viel hat sich seit dem in dieser Gegend nicht verändert.

Der Tourismusboom Südafrikas ist auf der parallel verlaufenden N2 entlang der Garden Route vorbeigerauscht. Also schließt in Montagu oder Calitzdorp kein Mensch sein Auto ab, geschweige denn die Haustür. Die großen Städte mit ihren großen Problemen liegen hinter den Bergen. Hier herrschen andere Gesetze als die Angst um Lebensversicherungen oder Börsenkurse. „Ihr erwartet von eurer Umgebung, dass immer alles klappt. Strom muss da sein, Internet, Wasser.“ Gert Lubbe gilt als ein Mann der Karoo, als Exzentriker. Seine philosophischen Betrachtungen fordern dazu auf, sich vom Rest der Welt für ein paar Stunden oder Tage abzukoppeln. „Geh mal in die Berge und überlass dich der Natur. Spür die Macht der Energieströme. Schau dir die tektonischen Verwerfungen der Felsen an, betrachte den Wechsel ihrer Farben. Pflück´ dir die Kräuter, die du dort findest, sei mal wieder nur Mensch“.

kalk-bayApropos Energieströme: Gert Lubbe scheint einer in persona zu sein. Einer, der Spiegelbild ist für die gesamte Umgebung. Erdverbunden, eckig, eigenwillig, ehrlich, unverfälscht. Sein Charme könnte ihn ohne weiteres als den Jemand mit den Farbtöpfen ausweisen, der aus purer Lust die Welt bemalt hat und der alle Farbspiegelungen im Art-Deco Interieur seines kleinen Hotels einfangen möchte. Und der seinen Gästen des Abends den Weg in die Schwefelquellen zeigt. Wie sagte er: „Sei mal wieder Mensch.“ Was in diesem Teil Südafrikas das Natürlichste der Welt ist.

P.S. Gert Lubbe ließ sich partout nicht ablichten: „Die Leute sollen hierher kommen, wenn sie mich sehen wollen. Aber dann werden sie von unserer Welt so fasziniert sein, dass sie mich nicht anzugucken brauchen“ – sagte er und bestätigte einmal mehr, was ohnehin schon über den Exzentriker gesagt wurde. Aber er ist nicht allein...

Vielen Dank für den Bericht an Ulla Schmitz.

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