Jetzt machte hier in Kapstadt ein Wal Schlagzeilen, der Schätzings Phantasie-Szenario in die Realität umgesetzt hat und sogar dabei gefilmt wurde, siehe YouTube: Er ist mit gewaltigem Sprung auf einer Segeljacht gelandet und hat ihr den Mast gebrochen. Die Besatzung blieb unverletzt.
Seemanns Garnspinnereien sind heute out: Touristen auf einem Rundfahrt-Boot haben die Szene gefilmt, zudem ist der Fall von den Betroffenen amtlich gemeldet, mit genauem Schadensrapport. Walhaut und Tran hingen in der Reling. Kein Zweifel möglich.
Aber war das wirklich ein Angriff? Muss ich etwa den Schätzing zu Ende lesen? Versteht der Mann die Zeichen aus Natur und Zukunft?
Langsam, langsam. Erstmal alle antreten zur Walbeobachtung. "Breaching", wie das Springen der Wale genannt wird, findet vor den Küsten Südafrikas regelmäßig statt. Vermutlich ist es Teil des Paarungsrituals, als Imponiergehabe der Bullen. Sie springen Serien im Halbminutentakt. Wer es schafft, seine Tonnage möglichst oft über den Wasserspiegel zu wuchten, verfügt er wohl auch über einen imposanten Hormonspiegel und ist gefragt bei den Walmädels. Die von mir gezählte maximale Sprungzahl steht bei 13. Der Aufwand an Energie muss so gigantisch sein wie die Tiere selbst.
Warum sollte ein echter Wal ein Schiff angreifen? Als Revanche gehetzter Meeresriesen an der Pestilenz des Erdballs, die sich Menschheit nennt? Unfug - im richtigen Leben genauso wie bei Schätzing. Ärgerliche Wale hauen laut Fachwelt mit der Schwanzflosse zu.
Meine Gegenthese: Er hat's nicht bös gemeint. Nur war ihm so langsam der Ozean zu heiß werdend und, klüger als Al Gores dubioser Frosch im Kochtopf, welcher sein Dasein dem Gesotten-Sein anheim stellt, versuchte er sprunghaft das Element zu wechseln - Schiff ahoi! Beim Auto-Kapern ist man hierzulande ja auch nicht zimperlich. Nein, lassen wir den Klamauk. Schlicht und banal: Es war ein Unfall.
Faktum ist, dass Wale nicht gut sehen. Wozu auch, wenn ihnen der Krill ins Maul schwimmt? Nasenchemie und Schallphysik vor allem im Infra-Bereich sind für Maxi-Säuger wichtiger, siehe Nashorn und Elefant. Des Brünftigen Problem war die Reizüberflutung, denn iin den Weltmeeren herrscht heutzutage ein Radau, der unserem Walmacho buchstäblich die Ohren betäubt haben muss. Die Jacht aber dümpelte ohne Motor und mangels Wind auch ohne Fahrgeräusch vor sich hin, im falschen Moment an der falschen Stelle ... Dumm gelaufen, sonst nix.
Lesen wir statt Schätzing lieber den Klassiker Moby Dick, dessen vollständiges Original kürzlich neu übersetzt wurde (Hanser Verlag, München 2001). Trotz der japanischen "Forschung" weiß man heute kaum mehr über Wale als Herman Melville im 19. Jahrhundert.
Mit herzlichem Dank an Klaus Minges